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Johann Peter Hebel (1760 – 1826)


Reiche Leute haben trotz ihrer gelben Vögel doch manchmal auch allerlei Lasten und Krankheiten auszustehen, von denen der arme Mann nichts weiß. Denn es gibt Krankheiten, die nicht in der Luft stecken, sondern in den vollen Schüsseln und Gläsern und in den weichen Sesseln und seidenen Betten, wie jener reiche Amsterdamer ein Wort davon reden kann. Den ganzen Vormittag saß er im Lehnsessel und rauchte Tabak, wenn er nicht zu faul war, oder hatte Maulaffen feil zum Fenster hinaus, aß aber zu Mittag doch wie ein Drescher, und die Nachbarn sagten manchmal: „Windet’s draußen oder schnauft der Nachbar so?“

Den ganzen Nachmittag aß und trank er ebenfalls, bald etwas Kaltes, bald etwas Warmes, ohne Hunger und ohne Appetit, aus lauter Langeweile, bis an den Abend, so dass man bei ihm nie recht sagen konnte, wo das Mittagessen aufhörte, und wo das Nachtessen anfing. Nach dem Nachtessen legte er sich ins Bett und war so müd, als wenn er den ganzen Tag Steine abgeladen oder Holz gespalten hätte. Davon bekam er zuletzt einen dicken Leib, der so unbeholfen war wie ein Maltersack. Essen und Schlaf wollten ihm nimmer schmecken, und er war lange Zeit, wie es manchmal geht, nicht recht gesund und nicht recht krank; wenn man aber ihn selber hörte, so hatte er 365 Krankheiten, nämlich alle Tage eine andere. Alle Ärzte, die in Amsterdam sind, mussten ihm raten. Er verschluckte ganze Eimer voll Mixturen und ganze Schaufeln voll Pulver und Pillen wie Enteneier so groß, und man nannte ihn zuletzt scherzweise nur die zweibeinige Apotheke.

Aber alles Doktorn half ihm nichts, denn er folgte nicht, was ihm die Ärzte befahlen, sondern sagte: „Wofür bin ich ein reicher Mann, wenn ich soll leben wie ein Hund, und der Doktor will mich nicht gesund machen für mein Geld?“ Endlich hörte er von einem Arzt, der hundert Stund weit weg wohnte, der sei so geschickt, dass die Kranken gesund werden, wenn er sie nur recht anschaue, und der Tod geh’ ihm aus dem Weg, wenn er sich sehen lasse.

Zu dem Arzt faßte der Mann ein Zutrauen und schrieb ihm seine Beschwerden.

Der Arzt merkte bald, was ihm fehlte, nämlich nicht Arznei, sondern Mäßigkeit und Bewegung, und sagte: „Wart’, dich will ich bald kuriert haben.“

Er schrieb ihm ein Brieflein folgenden Inhalts: „Guter Freund, Ihr habt eine schlimme Krankheit; doch wird Euch zu helfen sein, wenn Ihr folgen wollt. Ihr habt ein böses Tier im Bauch, einen Lindwurm mit sieben Mäulern. Mit dem Lindwurm muß ich selber reden, und Ihr müsst zu mir kommen. Aber fürs erste, so dürft Ihr nicht fahren oder auf dem Rösslein reiten, sondern auf des Schuhmachers Rappen, sonst schüttelt Ihr den Lindwurm, und er beißt Euch die Eingeweide ab, sieben Därme auf einmal ganz entzwei. Fürs andere dürft Ihr nicht mehr essen, als zweimal des Tages einen Teller voll Gemüse, mittags ein Bratwürstlein dazu und zur Nacht ein Ei, und am Morgen ein Fleischsüppchen mit Schnittlauch drauf. Was Ihr mehr esset, davon wird nur der Lindwurm größer, so dass er Euch die Leber zerdrückt, und Ihr werdet bald sterben. Dies ist mein Rat, und wenn Ihr mir nicht folgt, so hört Ihr im andern Frühling den Kuckuck nicht mehr schreien. Tut, was Ihr wollt!“

Als der Patient so mit ihm reden hörte, ließ er sich sogleich den andern Morgen die Stiefel anziehen und machte sich auf den Weg, wie ihm der Doktor befohlen hatte. Den ersten Tag ging es so langsam, dass eine Schnecke hätte können sein Vorreiter sein, und wer ihn grüßte, dem dankte er nicht, und wo ein Würmlein auf der Erde kroch, das zertrat er. Aber schon am zweiten und am dritten Morgen kam es ihm vor, als wenn die Vögel schon lange nicht mehr so lieblich gesungen hätten wie heut, und der Tau schien ihm so frisch und der Klatschmohn im Feld so rot, und alle Leute, die ihm begegneten, sahen so freundlich aus, und er auch. Und alle Morgen, wenn er aus der Herberge ausging, war’s schöner, und er ging leichter und munterer dahin. Als er am achtzehnten Tage in der Stadt des Arztes ankam und den andern Morgen aufstand, war es ihm so wohl, dass er sagte: „Ich hätte zu keiner ungeschickteren Zeit können gesund werden als jetzt, wo ich zum Doktor soll. Wenn’s mir doch nur ein wenig in den Ohren brauste, oder ich hätte Herzklopfen.“

Als er zum Doktor kam, nahm ihn der Doktor bei der Hand und sagte ihm: „Jetzt erzählt mir denn noch einmal von Grund auf, was Euch fehlt.“

Da sagte er: „Herr Doktor, mir fehlt gottlob nichts, und wenn Ihr so gesund seid wie ich, so sollt’s mich freuen.“

Der Doktor sagte: „Das hat Euch ein guter Geist geraten, dass Ihr meinem Rat gefolgt habt. Der Lindwurm ist jetzt abgetan. Aber Ihr habt noch Eier im Leib. Deswegen müsst Ihr wieder zu Fuß heimgehen und daheim fleißig Holz sägen, dass es niemand sieht, und nicht mehr essen, als Euch der Hunger ermahnt, damit die Eier nicht ausschlüpfen, so könnt Ihr ein alter Mann werden“, und lächelte dazu.

Aber der reiche Fremdling sagte: „Herr Doktor, Ihr seid ein feiner Kauz, und ich versteh’ Euch wohl“, und ist nachher dem Rat gefolgt und hat 87 Jahre, 4 Monate, 10 Tage gelebt, wie ein Fisch im Wasser so gesund, und hat alle Neujahr dem Arzt 20 Dublonen zum Gruß geschickt.

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